Durchhalten mit Nettelbeck: der Nazi-Propagandafilm „Kolberg“

03.05.2022, 19-21 Uhr, KulturQuartier Schauspielhaus

Filmvorführung mit Einführung von Felix Moeller und anschließender Diskussion

Im Frühjahr 1943, als sich die militärische Niederlage Nazideutschlands abzeichnete, rief Propagandaminister Joseph Goebbels im Berliner Sportpalast den „totalen Krieg“ aus. Die Deutschen sollten sämtliche Ressourcen für den „Endsieg“, den als Vernichtungskrieg geführten Griff nach der Weltherrschaft und die von ihnen zu verantwortenden Genozide (Shoah und Porajmos), mobilisieren. Goebbels setzte dabei, wie schon zuvor, auf das Kino. Kurz nach der Sportpalastrede beauftragte er seinen Starregisseur Veit Harlan, der 1940 das antisemitische Machwerk „Jud Süß“ gedreht hatte, mit der Verfilmung eines weiteren historischen Stoffes: der Belagerung der Ostseestadt Kolberg durch Napoleons Truppen im Jahr 1807. Goebbels sah im Kolberg-Mythos eine Inspiration, um den Durchhaltewillen der Deutschen gegenüber den vorrückenden Alliierten zu stärken.

„Kolberg“ wurde der teuerste und aufwändigste Nazi-Propagandafilm überhaupt.

In der Debatte um die Umbenennung des Erfurter Nettelbeckufers in Gert-Schramm-Ufer ist verschiedentlich betont worden, die Nazis hätten Nettelbeck, der bloß seine Heimatstadt verteidigen wollte, für ihre Zwecke instrumentalisiert. Dem steht gegenüber, dass sich Harlans Propagandafilm in eine nationalistische Opfergeschichte einschreibt, die seit 1807 unaufhörlich erzählt wurde und an der Nettelbeck mit seinen 1821-23 veröffentlichten Memoiren selbst noch mitgestrickt hat. Und es war die Nazizeit, in der Nettelbecks Beteiligung an der transatlantischen Sklaverei am entschiedensten verharmlost wurde.

Heute ist „Kolberg“ ein sog. Vorbehaltsfilm, der nur mit einer historischen Einführung und fachkundig begleiteten Diskussion gezeigt werden darf. Die Veranstaltung mit Felix Moeller soll einen Einblick liefern, wie Nettelbeck und der Kolberg-Mythos im Nazikino inszeniert wurden, und Raum bieten, die Frage der Instrumentalisierung zu diskutieren.

Felix Moeller ist promovierter Historiker und Filmemacher. 2008 hat er den Dokumentarfilm „Harlan – im Schatten von Jud Süß“ gedreht, 2014: „Verbotene Filme – das verdrängte Erbe des Nazikinos“, 2021: „Jud Süß 2.0. Vom NS- zum Online-Antisemitismus“, in dem es u.a. um Verschwörungsmythen in der Corona-Pandemie geht.

— Eintritt auf Spendenbasis —

Eine Veranstaltung der Initiative Decolonize Erfurt und der Hochschulgruppe Decolonize Erfurt in Kooperation mit dem Kulturquartier Erfurt, der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, dem Lokalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus der Stadt Erfurt und der Rosa Luxemburg Stiftung Thüringen.

Entsprechend § 6 Abs. 1 VersG sind Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, von der Versammlung ausgeschlossen.
Die Veranstalter behalten sich vor von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen.


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